3.2. Stetigkeit

Aus Kapitel 5 [Bur20] sind Sie bereits mit den verschiedenen Stetigkeitsbegriffen auf metrischen Räumen vertraut. Im Fall von normierten Vektorräumen lassen sich diese Konzepte durch Verwendung der Norm für den Abstandsbegriff analog definieren.

Definition 3.8 (Stetigkeit)

Wir betrachten eine Funktion \( f\colon X \rightarrow Y \) zwischen zwei normierten Vektorräumen \((X, ||\cdot||_X)\) und \((Y, ||\cdot||_Y)\).

\(i)\) Die Funktion \(f\) ist genau dann stetig in einem Punkt \(x_0 \in X\), wenn es für alle \( \varepsilon > 0 \) ein \( \delta > 0 \) gibt, so dass für alle Punkte \(x \in X\) mit

\[\begin{equation*} ||x - x_0||_X \: < \: \delta \end{equation*}\]

für den Abstand der Funktionswerte gilt

\[\begin{equation*} ||f(x) - f(x_0)||_Y \: < \: \epsilon. \end{equation*}\]

\(ii)\) Die Funktion \(f\) ist genau dann \emph{gleichmäßig stetig}, wenn es für alle \(\varepsilon > 0\) ein \( \delta > 0 \) so gibt, dass für alle Punkte \(x, y \in X\) mit

\[\begin{equation*} \norm{x-y}_X \: < \: \delta \end{equation*}\]

für den Abstand der Funktionswerte gilt

\[\begin{equation*} \norm{f(x)-f(y)}_Y \: < \: \varepsilon. \end{equation*}\]

\(iii)\) Die Funktion \(f\) ist genau dann \emph{Hölder-stetig} mit Exponent \( 0 < \alpha \leq 1 \), wenn für alle \( x, y \in X \) gilt:

\[\begin{equation*} \norm{f(x) - f(y)}_Y \: \leq \: L \cdot \norm[X]{x-y}^\alpha \end{equation*}\]

für eine nicht-negative Konstante \(L \in \R^+_0\).

Im Spezialfall \(\alpha = 1\) nennen wir \(f\) auch \emph{Lipschitz-stetig}. Gilt sogar \(0 \leq L < 1\), so nennen wir die Funktion \(f\) eine Kontraktion.

Natürlich sind diese Stetigkeitsbegriffe unterschiedlich stark, wie folgende Bemerkung feststellt.

Remark 3.2

Für eine Funktion \(f \colon X \rightarrow Y\) zwischen normierten Vektorräumen \(X\) und \(Y\) gelten folgende Implikationen:

\[\begin{equation*} f \text{ ist Hölder-stetig } \ \Rightarrow \ f \text{ ist gleichmäßig stetig } \ \Rightarrow \ f \text{ ist stetig }. \end{equation*}\]

Folgende Beispiele zeigen den Unterschied zwischen den Stetigkeitsbegriffen.

Example 3.5

Die Wurzel-Funktion

\[\begin{equation*} \sqrt{\cdot} \: \colon \R_0^+ \ \rightarrow \ \R_0^+ \end{equation*}\]

ist stetig. Sie ist jedoch nicht Lipschitz-stetig in \(x=0\).

Proof. In der Hausaufgabe zu zeigen.

Example 3.6

Die Betragsfunktion

\[\begin{equation*} |\cdot| \: \colon \R \ \rightarrow \ \R_0^+ \end{equation*}\]

Lipschitz-stetig mit Lipschitz Konstante \(L = 1\).

3.2.1. Homöomorphismen

Eine besonders interessante Klasse von stetigen Funktionen sind sogenannte Homöomorphismen. Diese Funktionen erlauben es zu untersuchen wann Teilmengen (topologischer) Vektorräume ineinander überführt werden können, z.B. durch Dehnen, Stauchen, Drehen oder Verzerren der Mengen. Die folgende Definition charakterisiert Homöomorphismen genauer

Definition 3.9 (Homöomorphismus)

Seien \(X\) und \(Y\) zwei normierte Vektorräume. Wir nennen eine Funktion \(f \colon X \rightarrow Y\) einen \emph{Homöomorphismus}, falls folgende Bedingungen erfüllt sind:

  1. \(f\) ist stetig,

  2. \(f\) ist bijektiv,

  3. die Umkehrfunktion \(f^{-1}\) ist ebenfalls stetig.

Der folgende berühmte Satz ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Untersuchung von Fixpunktgleichungen, z.B. in der Numerik, und wird uns später bei der Behandlung von gewöhnlichen Differentialgleichungen noch hilfreich sein.

Theorem 3.2 (Fixpunktsatz von Banach)

Es sei \(X\) ein Banachraum und \( F\colon X\rightarrow X \) eine Lipschitz-stetige Funktion mit Lipschitz-Konstante \( L < 1 \), d.h. es gilt

\[\begin{equation*} ||F(x) - F(y)|| \ \leq \ L \cdot ||x - y|| \quad \text{ für alle } x, y \in X. \end{equation*}\]

Dann existiert ein genau ein Fixpunkt \(\bar{x} \in X \), so dass

\[\begin{equation*} F(\bar{x}) \ = \ \bar{x}. \end{equation*}\]

Proof. Es sei \(x_0 \in X\) beliebiger Startwert der Folge \((x_k)_{k\in\N}\), die durch wiederholte Anwendung der Funktion \(F\) definiert ist, d.h,

\[\begin{equation*} x_k \ \coloneqq \ F(x_{k-1}), \quad k \geq 1. \end{equation*}\]

Wir werden im Folgenden zeigen, dass \((x_k)_{k\in\N}\) eine Cauchy-Folge in \(X\) ist. Da \(F\) Lipschitz-stetig mit Lipschitz Konstante \(L\) ist, gilt offensichtlich für alle \(n\in \mathbb{N}\)

\[\begin{equation*} ||x_{n+1} - x_n|| \ = \ ||F(x_n) - F(x_{n-1})|| \ \leq L \cdot || x_n - x_{n-1}||. \end{equation*}\]

Damit folgt induktiv aber auch schon, dass

\[\begin{equation*} ||x_{n+1} - x_n|| \ \leq L^n \cdot || x_1 - x_0||. \end{equation*}\]

Seien nun \(n,m \in \mathbb{N}\) zwei beliebige Indizes mit \(1 \leq n < m\), dann gilt wegen der Dreiecksungleichung der Norm und unter Ausnutzung der geometrischen Reihe:

\[\begin{equation*} \begin{split} ||x_m - x_n|| \ &\leq \ \sum_{k=n+1}^m ||x_k - x_{k-1}|| \ \leq \ ||x_1 - x_0|| \cdot \sum_{k=n+1}^m L^{k-1} \\ \ &= \ ||x_1 - x_0|| \cdot L^n \sum_{k=0}^{m-n-1} L^{k} \ \leq \ ||x_1 - x_0|| \cdot L^n \sum_{k=0}^\infty L^{k} \ = \ ||x_1 - x_0|| \cdot \frac{L^n}{1 - L}. \end{split} \end{equation*}\]

Da \(L < 1\) nach Voraussetzung ist folgt, dass \(L^n \rightarrow 0\) für \(n \rightarrow \infty\) und somit gilt auch

\[\begin{equation*} \lim_{n, m \rightarrow \infty} ||x_m - x_n|| \ = \ 0 \end{equation*}\]

und daraus folgt, dass \((x_k)_{k\in\N}\) eine Cauchy-Folge in \(X\) ist. Da \(X\) vollständig ist, muss \((x_k)_{k\in\N}\) nach Definition \ref{def:banachraum} konvergieren gegen einen Grenzwert \(\bar{x} \in X\). Das heißt wir haben gezeigt, dass die Funktion einen Fixpunkt \(\bar{x} = F(\bar{x})\) besitzt, da gilt

\[\begin{equation*} \lim_{k \rightarrow \infty} F(x_k) \ = \ \lim_{k \rightarrow \infty} x_{k+1} \ = \ \bar{x}. \end{equation*}\]

Sei \(\hat{x} \in X\) nun ein weiterer Fixpunkt von \(F\) mit \(F(\hat{x}) = \hat{x}\), dann gilt

\[\begin{equation*} ||\bar{x} - \hat{x}|| \ = \ ||F(\bar{x}) - F(\hat{x})|| \ \leq \ L \cdot ||\bar{x} - \hat{x}||. \end{equation*}\]

Da \(L < 1\) ist kann diese Ungleichung nur gelten wenn \(||\bar{x} - \hat{x}|| = 0\) ist. Aus der positiven Definitheit der Norm folgt dann schon, dass \(\bar{x} = \hat{x}\) sein muss, d.h., der Fixpunkt ist eindeutig.

Remark 3.3

Der Banach’sche Fixpunktsatz kann noch allgemeiner für abgeschlossene Untermengen vollständiger metrischer Vektorräume formuliert werden, da man nur einen Abstandsbegriff (also eine Metrik) und die Existenz des Grenzwertes benötigt.