1.6. Differentiation und Integration¶
Wir kommen nun zu einem der wesentlichsten Themen der Analysis, der Differential- und Integralrechnung. Grundlage der Differentialrechnung ist eine lokal lineare Approximation der Funktion \(f\) nahe eines Punkts \(x_0\). Dazu stellen wir die Geradengleichung durch den Punkt \((x_0,f(x_0))\) auf als
und fragen uns wie wir die Steigung \(k_0\) am sinnvollsten wählen. Da \(g(x) \approx f(x)\) gelten sollte, möchten wir
Der richtige Wert ist also der Grenzwert \(x\) gegen \(x_0\). Dementsprechend definieren wir diesen Grenzwert als Ableitung
Wir sagen, dass der Grenzwert \(\lim_{x \rightarrow x_0}\) existiert, wenn der Grenzwert für alle Folgen \(x_n \rightarrow x_0\) existiert und den gleichen Wert annimmt. In diesem Fall nennen wir die Funktion differenzierbar in \(x_0\). Ist \(f\) differenzierbar für jedes \(x_0 \in I\), so nennen wir \(f\) differenzierbar in \(I\).
Example 1.9
Sei \(f(x) = a_1 x + a_0\), dann ist \(f\) differenzierbar in \(\R\) mit \(f'(x) = a_1\).
Example 1.10
Sei \(f(x) = x^2\), dann ist \(f\) differenzierbar in \(\R\) mit \(f'(x) = 2x\).
Eine differenzierbare Funktion ist immer stetig, wenn \(f\) in einem Intervall differenzierbar und die Ableitung betragsmäßig beschränkt ist, dann ist \(f\) sogar Lipschitz-stetig. Dies werden wir später noch mit Hilfe der Integralrechnung sehen.
Die zentralen Regeln bei der Differentiation sind die Produkt- und Kettenregel. Sind \(f, g:I \rightarrow \R\) zwei Funktionen, die in \(x_0\) differenzierbar sind, dann ist auch \(h = f g\) in \(x_0\) differenzierbar und es gilt die Produktregel:
Die sehen wir durch eine Betrachtung des Genzwerts
Dabei haben wir benutzt, dass Grenzwerte von Summen und Produkten gleich Summen und Produkten von Grenzwerten sind.
Example 1.11
Sei \(h(x) = x^2 e^x. \) Dann ist \(h'(x) = 2x e^x + x^2 e^x\).
Die Kettenregel gilt für die Hintereinanderausführung differenzierbarer Funktionen. Ist \(f\) bei \(x_0\) differenzierbar und \(g\) bei \(y_0=f(x_0)\), dann ist \(h = g \circ f, \) d.h. \(h(x) = g(f(x))\), bei \(x_0\) differenzierbar und es gilt
Aus der Ketten- und Produktregel, lassen sich auch weitere Differentiationsregeln herleiten, etwa die Quotientenregel für \(h= \frac{f}g\). Dazu wenden wir die Produktregel auf \(f \tilde g\) mit \(\tilde g = \frac{1}g\) an und die Kettenregel auf die Hintereinanderausführung von \(y \mapsto \frac{1}y\) und \(g\).
Die Integration wird üblicherweise als Umkehrung der Differentiation eingeführt. Das unbestimmte Integral, d.h. die Stammfunktion \(F\) einer Funktion \(f\) ist definiert durch die Eigenschaft \(F'=f\). Wir beachten, dass die Stammfunktion nur bis auf eine additive Konstante definiert ist. Für \(a < b \in I\) gilt
Dies wird auch als Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung bezeichnet. Wir beachten, dass beim bestimmten Integral von \(a\) nach \(b\) laut (1.7) die additive Konstante in der Differenz rausfällt, deshalb ist das bestimmte Integral auch eindeutig bestimmt.
Das Integral ist das kontinuierliche Analogon zur Summation, was aus der Definition über sogenannte Riemann-Summen klar wird. Wir erhalten das Integral einer stetigen Funktion als Grenzwert
wobei \(\Delta_n = \{x_j,\xi_j\}\), sodass
und
Daraus sehen wir auch die Linearität des Integrals:
und
Darüber hinaus pflanzt sich auch die Monotonie und Dreiecksungleichung fort, es gilt
falls \(f(x) \leq g(x)\) für alle \(x \in (a,b)\) gilt, sowie
Aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung sowie dieser Ungleichung folgt
Ist \(F'\) beschränkt, d.h. \(\vert F'(x) \vert \leq L\) für alle \(x\), dann folgt
Die Differentiationsregeln münden auch direkt Eigenschaften der Integration. Besonders interessant ist die partielle Integration
die direkt aus der Produktregel und dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung folgt.