7.1. Riemann Integral¶
Da die Obersummen mit feiner werdender Zerlegung kleiner und die Untersummen größer werden, ist es naheliegend im Grenzwert auf die kleinsten Ober- bzw. größten Untersummen zu schauen. Diese existieren nicht unbedingt, aber zumindest das Infimum bzw. Supremum.
Definition 7.1
Sei \(f:[a,b] \rightarrow \R\) beschränkt. Dann heißt
Oberintegral und
Unterintegral. Gilt \(O(f) = U(f)\), dann heißt \(f\) integrierbar (im Sinn von Riemann) und man nennt
das Integral von \(f\) im Intervall \([a,b]\).
Im obigen Beispiel der Heaviside-Funktion sehen wir sofort \(O(f)=U(f)=1\) und damit die Integrierbarkeit und \(\int_{-1}^1 f(x)~dx = 1\). Wir beachten, dass allgemein bei einer beschränkten Funktion gilt
und
Darüber hinaus gilt wegen der Eigenschaft \(U(f,T') \leq O(f,T)\) für alle \(T,T'\) auch \(U(f) \leq O(f)\).
Example 7.2
Sei \(f:[0,1] \rightarrow \R\) definiert durch \(f(x) =1\) für \(x\in \Q\) und \(f(x)=0\) für \(x \notin \Q\). Dann ist bei jeder Zerlegung \(\sup_{t \in [t_i,t_{i+1}]}(f(t)) =1\) und \(\inf_{t \in [t_i,t_{i+1}]}(f(t))=0\), da jedes Teilintervall sowohl reelle als auch rationale Zahlen enthält. Damit ist auch \(O(f)=1\) und \(U(f) =0\), die Funktion ist also nicht integrierbar.
Wir haben gesehen, dass Ober- und Untersummen einige Eigenschaften nahe an der Linearität erfüllen. Diese ist im Grenzwert des Integrals dann gegeben:
Lemma 7.2
Sei \({\cal I}\) die Menge der integrierbaren Funktionen auf dem Intervall \([a,b]\). dann ist \({\cal I}\) ein Vektorraum. Die Abbildung
ist linear, d.h.,
und
für alle \(c \in \R\). Darüber hinaus ist die Abbildung \(I\) monoton, d.h. falls \(f \geq g\) (d.h. \(f(x) \geq g(x)\) für alle \(x\in[a,b]\)) gilt, dann folgt \(\int_a^b f(x)~dx \geq \int_a^b g(x)~dx. \)
Proof. Wie benutzen die Eigenschaften der Unter- und Obersummen und erhalten
Mit der Integrierbarkeit von \(f\) und \(g\) folgt daraus
Damit ist
also ist \(f+g\) integrierbar und es gilt die gewünschte Eigenschaft für die Summe. Ist \(c \geq 0\), dann wissen wir für alle Zerlegungen \( U(cf,T) = c U(f,T)\), also auch \(U(cf) = c U(f)\). Analog folgt \(O(cf) = c O(f)\) und damit für integrierbare \(f\) auch die Integrierbarkeit von \(c f\) mit
Ist \(c \leq 0\), dann benutzen wir
und analog \(O(cf,T) = c U(f,T)\). Damit folgern wir
und analog \(O(cf) = \int_a^b f(x)~dx \). Also ist \(cf\) integrierbar und es gilt
Für die Monotonie genügt wegen der Linearität zu zeigen, dass \(\int_a^b f(x)~dx \geq 0\) für nichtnegative Funktionen \(f\) gilt. Dies folgt aber direkt aus \(U(f,T) \geq 0\) für alle \(T\). \(\square\)
Wir haben vorher schon angekündigt, dass wir das Integral als Differenz der Flächen unter positivem und negativem Teil der Funktion sehen wollen. Um dies präziser zu machen definieren wir
und
Dann ist \(f = f_+ - f_-\) und \(|f|=f_+ + f_-\). Man kann zeigen, dass die Integrierbarkeit von \(f\) äquivalent zur Integrierbarkeit von \(f_+\) und \(f_-\) ist und es gilt wegen der Linearität auch
Eine weitere interessante Eigenschaft, die wir hier ohne Beweis angeben, ist die Additivität des Integrals bezüglich Teilintervallen: Sei \(f\) auf \([a,c]\) integrierbar und \(b \in (a,c)\), dann sind die Einschränkungen von \(f\) auch auf \([a,b]\) und \([b,c]\) integrierbar und es gilt
Wir haben bisher die Klasse der integrierbaren Funktionen eingeführt und wenige Beispiele kennen gelernt. Der folgende Satz zeigt, dass diese Klasse sehr viele Funktionen enthält:
Theorem 7.1
Sei \(f:[a,b] \rightarrow \R\) stetig. Dann ist \(f\) integrierbar.
Proof. \(f\) ist stetig, damit auf dem kompakten Intervall \([a,b]\) sogar gleichmäßig stetig. Also gibt es für jedes \(\epsilon >0 \) ein \(\delta > 0\), sodass für alle \(x,y\) mit \(|x-y| < \delta\) gilt:
Sei \(t_i = a + \frac{b-a}{n} i\) mit \(n > \frac{b-a}\delta\). Dann gilt für alle \(x,y \in [t_i,t_{i+1}]\) auch \(|x-y| < \delta\), somit folgt \(S_i - s_i < \frac{\epsilon}{b-a}\). Also erhalten wir
Daraus folgern wir dann auch \(O(f) = U(f)\), also ist \(f\) integrierbar. \(\square\)