4.4. Reihen¶
Eine spezielle Form von Folgen sind sogenannte Reihen, die wir als Summen von Folgen betrachten können:
Definition 4.10
Sei (X,‖⋅‖) ein normierter Vektorraum und (xn) eine Folge in X. Dann identifizieren wir die Reihe ∑∞k=0xk mit der Folge der Partialsummen
Falls die Folge sn gegen einen Grenzwert s∈X konvergiert, so bezeichnen wir
und nennen die Reihe konvergent. Andernfalls nennen wir die Reihe divergent.
Wir beachten, dass wir natürlich auch jede Folge xn als Reihe
schreiben können, mit y0=x0 und yk=xk−xk−1 für k>0. Wenn wir aber eine Folge explizit angeben können (etwa auch durch Ausrechnen der Partialsummen), dann sprechen wir eher von einer Folge und behandeln sie auch so. Wenn wir aber die Partialsummen nicht ausrechnen können, benötigen wir eine speziellere Betrachtung.
Example 4.5
Für q∈R betrachten wir die geometrische Reihe
Wie wir schon gesehen haben, können wir die Partialsummen explizit berechnen. Für q=1 gilt sn=n+1 und die Reihe ist offensichtlich divergent. Für q≠1gilt
Nun sehen wir, dass für |q|<1 gilt qn→0 für n→0, also erhalten wir den Grenzwert
Für |q|>1 gilt |qn|→∞ für n→∞. Wegen der Dreiecksungleichung ist
also divergiert die Reihe. Im verbleibenden Fall q=−1 gilt sn=1 für n gerade und sn=0 für n ungerade. Hier bleiben die Partialsummen zwar beschränkt, aber die Reihe konvergiert nicht.
Example 4.6
Als zweites Beispiel betrachten wir für q>0 die Reihe
Hier ist zunächst völlig unklar, ob die Reihe konvergiert oder divergiert. Für q=1 sind die ersten Partialsummen 1, 32, 116, 2312, … Die Reihe scheint also zu divergieren, aber wir haben kein Kriterium um dies einfach zu entscheiden. Für q=2 sind die ersten Partialsummen 1, 54, 2318,… Hier scheint es sich um Konvergenz zu handeln, aber wieder können wir nicht entscheiden, ob nicht einfach langsames Wachstum gegen unendlich vorliegt.
Im Folgenden wollen wir einfache Kriterien zur Konvergenz einer Reihe kennenlernen. Ein einfaches Beispiel in einem vollständigen normierten Raum erhalten wir aus der Äquivalenz der Konvergenz zur Cauchy-Eigenschaft einer Folge:
Theorem 4.6 (Cauchy-Kriterium)
Eine Reihe in einem vollständigen metrischen Raum konvergiert genau dann, wenn es für alle ϵ>0 ein n0∈N gibt, sodass
gilt.
Proof. Die obige Eigenschaft ist genau äquivalent dazu, dass die Folge (sn) der Partialsummen eine Cauchy-Folge ist, was wiederum äquivalent zur Konvergenz ist.
Ein sehr nützliches Kriterium ist das Majorantenkriterium, dafür definieren wir zunächst den Begriff einer Majorante:
Definition 4.11
Sei X ein vollständiger normierter Raum und (xn) eine Folge in X. Dazu sei (cn) eine Folge in R mt cn≥0 für alle n∈N, sodass für alle n∈N gilt:
Dann heisst (cn) bzw. ∑∞n=0cn Majorante von (xn) bzw. ∑∞n=0xn.
Mit Hilfe von Majoranten können wir wieder Konvergenzkriterien für Reihen in vollständigen normierten Räumen basierend auf Reihen in den positiven reellen Zahlen herleiten:
Theorem 4.7 (Majorantenkriterium)
Sei X ein vollständiger normierter Raum und (cn) eine Majorante von (xn). Falls ∑∞n=0cn konvergiert, dann konvergiert auch ∑∞n=0xn.
Proof. Wegen der Dreiecksungleichung gilt
Wegen der Konvergenz der Reihe ∑∞n=0cn sind die zugehörigen Partialsummen auch eine Cauchy-Folge, d.h. für alle ϵ>0 existiert ein n0∈N, sodass für m>n≥n0 gilt:
Damit ist auch (sn) eine Cauchy-Folge und somit konvergent.
Wir beachten, dass wir die Konvergenz von sn=∑nk=0ck für ck≥0 relativ einfach entscheiden können. (sn) ist dann eine monoton steigende Folge, diese konvergiert genau dann wenn sie beschränkt ist. Können wir also ein C>0 finden mit
dann konvergiert die Reihe. Das Majorantenkriterium können wir speziell für Reihen in X=R anwenden. Es gilt, dass ∑∞n=0xn konvergiert, falls ∑∞n=0|xn| konvergiert, da klarerweise |xn| eine Majorante für xn ist.Die Umkehrung stimmt aber nicht immer. Wir nennen deshalb eine Reihe in R bedingt konvergent, wenn ∑∞n=0xn konvergiert, aber ∑∞n=0|xn| divergiert. Falls auch ∑∞n=0|xn| konvergiert, nennen wir die Reihe absolut konvergent. Bei bedingt konvergenten Reihen ist Vorsicht geboten, da eine Umordnung der Reihe, d.h. ∑∞n=0xπ(n) für eine bijektive Abbildung π:N→N einen anderen Grenzwert liefern kann.
Example 4.7
Das Majorantenkriterium können wir nun zur Untersuchung der Konvergenz von ∑∞n=0(n+1)−q verwenden. Sei q>1, dann wählen wir cn=2−qℓ, wobei ℓ durch
bestimmt ist.Dann gilt
Für q>1 ist 21−q<1, d.h. die geometrische Reihe rechts konvergiert und damit auch die Majorantenreihe.
Im Fall q=1 können wir mit dem Cauchy-Kriterium zeigen, dass die Reihe divergiert. Wäre sie konvergent, würde insbesondere s2n−sn gegen Null konvergieren, es gilt aber
Für die absolute Konvergenz von Reihen in R können wir nun etwa mit der geometrischen Reihe vergleichen, deren Konvergenz wir aus dem obigen Beispiel schon verstehen:
Theorem 4.8 (Quotientenkriterium)
Sei (xn) eine reelle Folge, sodass für ein n0∈N und ein q∈[0,1) gilt:
Dann konvergiert ∑∞n=0xn absolut.
Proof. Wegen |xn+1|≤q |xn| können wir induktiv auch
folgern. Wir wählen also als Majorante cn=|xn| für n≤n0 und cn=qn−n0|xn0| für n>n0. Dann gilt
Also folgt die Konvergenz aus dem Majorantenkriterium.
Example 4.8
Wir betrachten die Reihe ∑∞n=01n+12−n für q∈R. Hier ist
für alle n∈N, deshalb konvergiert die Reihe.
Zum Abschluss zeigen wir noch eine recht naheliegende Eigenschaft
Lemma 4.3
Sei ∑∞n=0xn eine konvergente reelle Reihe. Dann ist (|xn|) eine Nullfolge.
Proof. Sei ϵ>0. Da die Partialsummen eine Cauchy-Folge sind, gibt es ein n0∈N, sodass für m>n≥n0 gilt
Nun können wir m=n+1 und n beliebig wählen und erhalten |xn|<ϵ für alle n>n0. Also ist (|xn|) eine Nullfolge.